19.09.2023
Auch eine Ruine kann zu schützendes Wohneigentum sein, dessen Abriss zu versagen ist – nämlich dann, wenn die Baufälligkeit dadurch herbeigeführt wurde, dass zumutbare Instandsetzungsmaßnahmen unterlassen wurden. Dies stellt das Verwaltungsgericht (VG) Berlin klar.
Eine Bauentwicklungsgesellschaft hatte 1998 ein Mehrfamilienhaus in Berlin-Mitte gekauft, um es zu sanieren. 23 Wohnungen sollten wiederhergestellt werden. Eine Baugenehmigung hierfür lag vor. Diese nutzte die Investorin aber nicht, sondern ließ das Haus leer stehen und verfallen. 2019 kündigte sie an, das Gebäude abreißen zu wollen. Es sei nicht bewohnbar und daher vom Zweckentfremdungsverbot ausgenommen. Dies möge ihr das Bezirksamt in einem Negativattest bescheinigen.
Nachdem das Amt dies abgelehnt hatte, zog die Bauentwicklungsgesellschaft vor Gericht – allerdings auch hier ohne Erfolg. Zwar sei das Gebäude in seinem stark sanierungsbedürftigen und baufälligen Zustand aktuell nicht bewohnbar. Zu Wohnzwecken errichtete Gebäude unterfielen aber auch dann dem Zweckentfremdungsverbot, wenn sie sich noch mit objektiv zumutbarem Aufwand in einen bewohnbaren Zustand versetzen ließen.
Davon sei hier auszugehen, weil die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass ihr eine Wiederherstellung der Bewohnbarkeit unzumutbar sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn die ansetzbaren Wiederherstellungskosten höher seien als die in zehn Jahren erzielbare Rendite. Von den tatsächlichen Wiederherstellungskosten seien dabei solche nicht berücksichtigungsfähig, die auf in der Vergangenheit unterlassene Instandsetzungs- und Unterhaltungsmaßnahmen zurückzuführen seien. Denn anderenfalls wäre es möglich, durch gezielten Leerstand Wohnraum zu vernichten und das Zweckentfremdungsverbot zu umgehen.
Wenn – wie hier – Räumlichkeiten über einen nicht unerheblichen Zeitraum leer gestanden hätten, ohne dass Maßnahmen zur Instandhaltung ergriffen worden seien, sei zu vermuten, dass Kosten für eine Wiederherstellung der Bewohnbarkeit vermeidbar gewesen wären und deshalb nicht zu berücksichtigen seien.
Das VG hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.
Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 12.07.2023, VG 6 K 264/21